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Liebevolles Wachrütteln: Die Glücksfee von Cornelia Funke

Liebevolles Wachrütteln: Die Glücksfee von Cornelia Funke

Ein Zwischen-Tür-und-Angel-Gespräch mit meiner Psychologen-Kollegin. Da fiel der Name dieses kleinen Büchleins. Zwei Tage später lag es vor mir. Schon das Titelbild einladend, herzig. Irgendwie anders. Ja, besonders. Und dann verliebte ich mich auf den folgenden Seiten in die Figur der Glücksfee Pistazia und ihre wundervolle Botschaft. Mit dem Buch "Die Glücksfee" hat Cornelia Funke ein Werk geschaffen, das wachrüttelt. Das einlädt, sofort etwas im eigenen Leben zu ändern. Na, Lust auf mehr?

Die Inhalte dieses Blogartikels

Die Handlung meines Buchtipps "Die Glücksfee"

Das Buch erzählt von der frechen kleinen Glücksfee Pistazia. Sie ist nicht nur die Beste ihrer Zunft, sondern hat auch einen beachtlichen Körperumfang. Und das ist gut so: denn wer bei den Feen besonders dick ist, hat am meisten zu sagen.

 

Von ihrer Vorgesetzten Tusnelda wird Pistazia zu einem sechsjährigen Jungen gerufen, der ständig schlechte Laune hat. Mitten in der Nacht macht sich die Glücksfee auf den Weg zu Lukas Besenbein. Sie erteilt ihm drei Lektionen in puncto Glücklichsein. Zuerst holt sie ihn heraus aus seinem Bett und verfrachtet ihn in der Dunkelheit mitten aufs Dach seines Wohnhauses. Dort geht es ihm verständlicherweise gar nicht gut. Wieder zurück im warmen, weichen Bett schätzt er dieses zwar mehr. Glücklich fühlt er sich aber noch nicht.

 

Deshalb kommt Pistazia am nächsten Tag wieder. Sie nimmt ihm einen ganzen Tag lang sämtliche Getränke weg – vom süßen Kakao bis zum Saft und Wasser. Am nächsten Morgen genießt er den Kakao und bedankt sich extra bei seiner Mama.

 

Am dritten Tag zaubert die Glücksfee die komplette Welt grau – für ganze drei Tage verschwinden alle Farben aus Lukas Leben.

 

Die Glücksfee malt alles grau
Pistazia gibt alles, um Lukas dazu zu bringen, das eigene Leben als farbig und freudig zu begreifen.

 

Am vierten Tag hüpfte, sprang und tanzte der Junge, als alle Farben wieder zurückkehrten. Und er erkennt, dass das Glück sich „dick und frech und warm und weich und rot und blau und federleicht“ anfühlt. So wie Kakao schmeckt.

 

Pistazia hat somit ihre Mission erfüllt – denn Lukas verbleibt mit einem Lächeln auf den Lippen. 

Das Besondere am Buch "Die Glücksfee"

Das Buch wirkt so klein und unscheinbar. Kommt auch noch daher als Kinderbuch. Und man kann es auch schon mit Kindern im Vorschulalter lesen. Meine Tochter fand es ziemlich lustig. Aber den richtigen Zauber entfaltet es erst, wenn es ein Erwachsener in die Hand nimmt. 

 

Sowohl Kindern als auch ganz besonders uns Erwachsenen passiert es ständig: Wir schätzen die Dinge, die wir haben, nicht. Wir wollen immer mehr, das was wir nicht haben können. Sind nie zufrieden. Viele wissen gar nicht, wie glücklich sein geht. Frag doch einmal jemanden, wann er zuletzt richtig glücklich war. Ich wette, dass viele Leute sehr lange nachdenken müssen und jede Menge keine Antwort geben können. Dieses Büchlein regt auf herzerwärmende Weise dazu an, das, was wir für selbstverständlich halten, zu schätzen.

 

Ich bin als Psychologin unter anderem in einer Klinik für Amputationsmedizin tätig. Mir ist dadurch jeden Tag bewusst, dass es nicht selbstverständlich ist, dass wir zwei Beine und zwei Arme haben. Dass wir selbstständig zur Toilette gehen können. Selber essen. In ein Auto steigen und hinfahren, wo wir wollen. Und wenn wir den Blick etwas weiter richten: Es ist nicht selbstverständlich, ein Dach über dem Kopf zu haben. Eine warme Wohnung. Fließendes Wasser. Genug Nahrungsmittel, damit man satt wird. Es ist auch nicht normal in Frieden leben zu können. Seine freie Meinung äußern zu können, ohne Sanktionen befürchten zu müssen. Es ist nicht überall möglich, sich frei gemäß seiner Talente und Fähigkeiten entfalten zu können – schon gleich nicht als Frau.

 

Deshalb ist die Botschaft dieses Buches so wertvoll: Mach Dir bewusst was Du hast. Sei achtsam. Sei dankbar. Die Figur der Pistazia verkörpert auch die Vehemenz dieser Botschaft. Sie ist nicht sanft und liebevoll. Sie ist wuchtig, direkt, frech. Sie bittet Lukas nicht mitzumachen, sie setzt einfach ihr Programm durch – und zwar mit drastischen Mitteln. Denn erst wo Schatten ist (Angst, Durst, Trübsal), kann das Licht wahrgenommen und geschätzt werden.

 

Pistazia lehrt uns aber noch mehr. Denn in der Geschichte steckt auch, dass Glück nichts Großes, Komplexes sein muss. Sondern, dass es im Alltäglichen zu finden ist. In den kleinen Dingen. Wie heilsam für all jene, die auf den Tag warten, an dem ihnen endlich das große, wahre Glück zur Haustüre hereingetragen wird.

 

Und noch eine ganz wichtige Botschaft hält das Buch für uns bereit. Dicksein ist nicht peinlich, gesundheitsschädlich oder ein Problem. Nein, in diesem Büchlein ist Pistazia nicht erfolgreich trotz ihrer Pfunde, sondern gerade deswegen. Kampf dem Bodyshaming. Ich halte es für wichtig und der Zeit angemessen, dass nicht alle Helden schlank und unwiderstehlich schön sind. Und dass eine geringe Anzahl an Kilos nichts mit Erfolg im Leben und Beruf zu tun hat. Denn dieses Bild übt gerade auf Jugendliche und junge Erwachsene einen unglaublichen Druck aus. Die Glücksfee ist da herrlich entspannt. 

Zur Autorin Cornelia Funke

Cornelia Funke (*1958) ist ausgebildete Diplompädagogin und arbeitete nach dem Studium zunächst als Erzieherin. Parallel studierte sie Buchillustration an der FH für Gestaltung in Hamburg. Zunächst arbeitete sie als Illustratorin, begann dann aber eigene Geschichten für Kinder und Jugendliche zu schreiben. Und das sehr erfolgreich. Über 30 Millionen verkaufte Bücher, die in über 50 Sprachen übersetzt wurden, kann sie verzeichnen.

 

Der internationale Durchbruch gelang ihr 2002 mit „Herr der Diebe“. Bekannt ist sie auch für ihre „Tintenwelt-Reihe“ und die „Die Wilden Hühner“-Bücher. Sie ist aber auch als Drehbuchautorin für die Fernsehserie Siebenstein tätig. Für ihr Werk bekam sie nicht nur 2008 einen Bambi in der Kategorie Kultur, sondern auch unter anderem 2015 den Bayerischen Buchpreis und 2023 den Deutschen Jugendliteraturpreis.

 

Sie lebt mit ihrer Familie in Italien. Seit 2010 ist sie Patin eines Kinderhospizes und deutsche Botschafterin der UN-Dekade Biologische Vielfalt. 

Fakten zum Buch

Erscheinungsdatum: 24.02.2006

Verlag: Fischer KJB (Sauerländer), Frankfurt am Main

Autor: Cornelia Funke

Illustration: Sybille Hein

Hardcover

Umfang: 40 Seiten

ISBN: 978-3596852109

Preis: 6,99 Euro

Mein Fazit

Dieses kleine Büchlein ist extrem wertvoll. Es hat einen festen Platz in meiner therapeutischen Arbeit bekommen. Denn es ist viel charmanter, die Glücksfee einzusetzen, als platt zu sagen "Auch wenn Ihr Schicksal schlimm ist. Sehen Sie doch bitte einmal hin, was Sie alles haben. Denn es gibt so viele Menschen, denen es noch schlechter geht." Und ich werde auch nicht davor zurückschrecken, es dem ein oder anderen Verwandten, Freund und Kollegen zu schenken oder zumindest wärmstens zu empfehlen

 

Die Erlebnisse von Pistazia und Lukas sind nicht nur unterhaltsam und kurzweilig, super schnell gelesen und einfach zu verstehen. Sondern auch wunderschön illustriert. Erst durch die nicht alltäglichen Bilder entsteht das besondere Flair der Geschichte. 

 

Sie ist so anders, als man sich eine Fee vorstellt. Nix mit Glitzer. Nix mit grazil. Und dann fliegt sie herein auf einem Schaf.
Sie ist so anders, als man sich eine Fee vorstellt. Nix mit Glitzer. Nix mit grazil. Und dann fliegt sie herein auf einem Schaf.

 

Insgesamt sage ich voller Überzeugung: Lesenswert. Kaufenswert. Verschenkenswert. 

Hinweis: Alle Fotos wurden von mir selbst erstellt. Die Bildrechte für das Buch selbst, alle Abbildungen und Texte liegen beim Fischer Verlag. Das Buch wurde selbst gekauft. 

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