· 

Was muss vor der ersten Hypnose passieren?

Vor der ersten Hypnose

 

Niemals Hypnose in der ersten Sitzung mit einem Klienten! Das ist meine goldene Regel. Ich weiß, dass viele Kollegen das anders handhaben. Für mich als Psychologin ist das sowohl aus organisatorischen als auch aus therapeutischen Gründen der Gold-Standard. Bevor Hypnose ins Spiel kommt, gibt es jede Menge zu tun. 

Die Inhalte dieses Blogartikels

1. Die Anamnese

Warum ist der Klient eigentlich hier? Womit tut er sich schwer? Wie lange besteht das Problem schon? Welche Lösungsversuche gab es bereits? Wie beschreibt er sein soziales Umfeld? 

 

Diese Fragen stelle ich gerne im persönlichen Gespräch. Vorab ausgefüllte Fragebögen sind nett, erfüllen für mich aber nicht denselben Zweck. 

 

Natürlich möchte ich in der Anamnese wissen, was genau das Thema ist. Mich interessiert aber auch, welcher Typ Mensch vor mir sitzt. Welche Kompetenzen und welche Special Effects er mit sich bringt. Welche Einstellungen und Glaubenssätze zwischen den Zeilen liegen. Und ich möchte die Gelegenheit nutzen, um in Beziehung zu gehen. Dem Klienten die Sicherheit vermitteln, dass seine Themen bei mir gut aufgehoben sind. 

Anamnese - welche Fragen sind wirklich wichtig?


2. Der Anmeldegrund

Im Gespräch finde ich nun heraus, was dazu geführt hat, dass der Klient bei mir angerufen hat um sich einen Termin auszumachen. Was war der Auslöser? Gab es ein spezielles Ereignis im Umfeld? War es spontan oder ging da schon länger etwas im Kopf herum? Wie kam derjenige gerade auf mich? 

 

Wichtig erscheint mir an diesem Punkt, die Eigenmotivation des Klienten zu hinterfragen. Will wirklich er selbst eine Lösung seiner Symptomatik herbeiführen? Oder reagiert er auf den Druck eines Lebenspartners, einer Ärztin oder des Arbeitgebers? 

3. Die Ziele

Als nächstes interessiert mich, was der Klient erwartet. Von der Behandlung. Von mir. Gegebenenfalls von Hypnose. Was möchte er erreichen? Dabei gebe ich mich nicht zufrieden mit Aussagen wie "ich möchte selbstbewusster werden". Was heißt das genau für das Leben der Person? Was bedeutet das, wenn man es bis ins Detail herunterbricht?

 

Wann wäre ein Zustand erreicht, mit dem er gut leben könnte? Woran würden er und ich merken, dass die Ziele erreicht wurden? Gibt es Teilschritte dort hin?

 

Selbstverständlich können sich die gesteckten Ziele während der gemeinsamen Arbeit verändern. Deshalb ist es auch wichtig, sie von Zeit zu Zeit in den Sitzungen zur Sprache zu bringen. 

4. Methodenklärung

Dieser Punkt ist natürlich davon abhängig, mit welchen Methoden Du arbeitest. Was Du dem Klienten anbieten kannst. Nicht immer und bei jeder Problematik oder für jeden Menschen ist Hypnose die richtige Wahl. 

 

Überprüfe also Dein Portfolio: welche Methode passt am besten zum Klienten? Was kommt nicht in Frage (zum Beispiel, weil er aktuell noch nicht in der Lage ist, seine Augen zu schließen)? 

 

Das, was in Frage kommt, stelle ich dann dem Klienten vor. Begründe, warum ich das für geeignet halte. Was die Vor- und Nachteile sind. Erforsche komplette Abneigungen oder Vorbehalte beim Klienten. 

 

Häufig ist eine Kombination von Methoden sinnvoll. Zum Beispiel Hypnotherapie zusammen mit Schreibtherapie oder Kunsttherapie. Oder auch wunderbar, weil beides das Unterbewusstsein anspricht: Hypnose mit Klangmassage. Oder doch lieber EMDR und Lachyoga? 

 

Sollte Hypnose in Betracht gezogen werden, muss im selben Atemzug die Abklärung von Kontraindikationen erfolgen. Liegen absolute Kontraindikationen vor (zum Beispiel akute Psychose, akute Thrombose, nicht oder schlecht eingestellte Epilepsie etc.) oder gibt es relative Einschränkungen (ADHS, Migräne, Depression (wenn Du damit keine Erfahrung hast) etc.)?

5. Aufklärung über Hypnose

Wenn geklärt ist, dass mit Hypnose gearbeitet werden soll und darf, muss eine ausführliche Aufklärung darüber erfolgen. Was ist Hypnose - und was nicht? Was kann sie leisten - und welche Erwartung wäre unrealistisch? Wie fühlt es sich an, in Trance zu sein? Welche Fragen hat der Klient darüber? Wie läuft eine Sitzung ab? 

 

Am Ende dieses Teils unterschreibt der Klient eine Aufklärungsvereinbarung. Somit ist sichergestellt, dass der Klient mit allen vorherigen Informationen vertraut ist. Sie wandert in die Akte - in der Hoffnung, dass sie nie im  juristischen Sinne gebraucht wird. 

6. Therapieplanung

Im Anschluss ist es wichtig, grob das weitere Vorgehen zu planen. "In der ersten Hypnose mache ich immer Entspannung." "Ausnahmslos überall suche ich ganz am Anfang den sicheren Ort." Ich weiß, dass viele Anfänger so denken. Und es ist auch nichts Verkehrtes daran, den Klienten auf angenehme Weise mit dem Trancezustand vertraut zu machen. Und bestimmt ist es nicht falsch, Absicherungen zu schaffen. Was mich aber stört ist das "immer" und "überall". Es darf kein Standardvorgehen für die erste Sitzung geben. Keine Tüte, die man jemandem überstülpt. Das wäre so, als müsste jeder, der zum ersten Mal ein italienisches Speiselokal betritt,  Pizza Salami essen. Es macht einfach keinen Sinn. Erste Hypnosen sind individuell zu planen. Je nach Thema, je nach Ziel, je nach Charakter, Entwicklungsstand und Reflexionsfähigkeit des Klienten ergeben sich andere Prioritäten für Sitzung eins. 

 

Wichtig ist, nicht einfach darauf los zu hypnotisieren. Nur weil man in der Ausbildung gelernt hat, einen Helfer zu suchen, muss das nicht notwendigerweise das Richtige für den Menschen sein. Wähle klug, welche Technik Du zu welchem Zweck einsetzen könntest und orientiere Dich dabei daran, welche Teilziele/Ziele vereinbart wurden und was der Klient kann. 

 

Im Idealfall machst Du Dir bereits am Ende des Erstgesprächs einen groben Fahrplan, den Du dem Klienten auch mitteilen kannst. Erst machen wir das. Das ist wichtig weil. Danach steht das auf der Agenda, um jenes zu erreichen. So weiß der Klient, worauf er sich einlassen müsste, wenn er sein Ok gibt, gemeinsam zu arbeiten. Und er hat Ahnung davon, was ihn in Sitzung zwei erwartet. 

7. Wahl der passenden Induktion

Auch hier darf es keine Standards geben. Nur weil Du eine Induktion gut kannst, heißt es nicht, dass sie für Deinen Klienten richtig ist. Die Wahl der passenden Induktion für die erste Hypnose mache ich von mehreren Faktoren abhängig. Einerseits frage ich, ob er bereits Vorerfahrungen mit Entspannungsmethoden hat. Kennt er zum Beispiel Autogenes Training und hat gute Erfahrungen damit gemacht, kann er bestimmt auch mit einer Entspannungs-Induktion etwas anfangen.

 

Ich muss herausfinden, ob der Klient einen bevorzugten Sinneskanal hat. Ob bildliche Vorstellung gut funktioniert. Gerne lasse ich den Klienten die Augen schließen und gebe die Aufgabe, sich einen Apfel vorzustellen und ihn mir zu beschreiben. Wenn Größe, Farbe, Duft und Umgebung beschrieben werden können, kann ich mir sicher sein, dass es möglich wäre, bildliche Vorstellung in die Induktion zu integrieren. Zum Beispiel im Rahmen einer Konfusionsinduktion. Oder ist körperliche Reaktion total wichtig für die Person? Dann wäre eine Handlevitation oder Pen Drop vielleicht die richtige Methode. Ist derjenige sehr verkopft und leicht ablenkbar? Dann wähle ich gerne 7+/-2 als Induktion. 

 

Dann ist es auch noch wichtig, das Ziel der ersten Sitzung mit einzubeziehen. Will ich zum Beispiel einen interaktiven Prozess, bei dem der Klient auch sprechen soll, darf die Induktionsmethode nicht zu tiefe Entspannung mit sich bringen. 

 

Wenn der Klient Angst vor Kontrollverlust hat, ist es wenig sinnvoll, ihn zum Beispiel im Rahmen einer Elman-Einleitung Zahlen vergessen zu lassen. Da braucht es viel Absicherung. Viel Erlaubnis. Zum Beispiel im Rahmen einer Blickfixation, wo immer wieder die Augen geöffnet werden dürfen. 

 

Ganz anders kann es auch laufen, wenn der Klient bereits Hypnoseerfahrung hat - aber nicht mit Dir. War das Erlebte positiv, kommt auch ein Quereinstieg in Frage. Zum Beispiel über Erinnern an die letzte gute Trance. 

8. Vertrauensaufbau

Über den kompletten bisherigen Prozess ist es dann hoffentlich gelungen, das Vertrauen des Klienten zu gewinnen. Denn nur dann, wenn er mir als Person und als Fachfrau zutraut, ihn mit seinem Problem adäquat begleiten zu können, kommt es zu einer ersten Hypnose. 

 

Weil ich sehr direkt und klar bin, frage ich den Klienten am Ende des Erstgesprächs (wie zu besten Schul- und Zettelchen-Schreib-Zeiten): Wollen wir miteinander gehen? Ja, Nein oder Vielleicht. Können Sie sich einlassen? Vertrauen Sie mir? 

 

Vertrauensaufbau ist aber keine Einbahnstraße. Auch ich muss für mich prüfen, ob ich dem Klienten zutraue, sich zu öffnen, regelmäßig Sitzungen wahrzunehmen und an sich zu arbeiten. Selten - aber doch - beende ich die Therapie bereits bevor sie richtig anfängt. Manchmal passt es einfach nicht. Manchmal hätte ich das Gefühl, ich müsste mich verbiegen. Manchmal sagt mein Bauchgefühl, dass jetzt, hier und mit mir nicht der richtige Zeitpunkt für die Person ist. Jedes Mal, als ich das ignoriert habe, weil ich jemanden nicht wegschicken wollte, habe ich es bereut. Deshalb bin ich da mittlerweile sehr deutlich und klar. 

 

 

Ziel wäre es, alle acht Punkte innerhalb der ersten Sitzung abzuhaken um dann in die Hypnosearbeit starten zu können. Häufig fehlt aber die Struktur. Die Zeit wird knapp. Die richtigen Fragen fehlen. Die Notizen sind chaotisch. Um dem entgegenzuwirken, habe ich meinen "Leitfaden für das perfekte Erstgespräch" entwickelt. 

Führe Dein Erstgespräch souverän und sicher

Gehe dabei strukturiert und zielfokussiert vor. Und bleib in Deinem "grünen" Energiebereich.


Kommentar schreiben

Kommentare: 0